Einheitswert

Einheitswert
1. Begriff: Der E. ist der nach den Vorschriften des Ersten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes für die dort bezeichneten Bewertungsgegenstände einheitlich für mehrere Steuerarten und in einem gesonderten, von der Steuerfestsetzung unabhängigen Verfahren (§ 180 II Nr. 1 AO, § 19 BewG) ermittelte Wert für  wirtschaftliche Einheiten. Die Feststellung von E. erfolgt unabhängig von der  Steuerfestsetzung.
- Ziel: Harmonisierung des Zugriffs verschiedener (einheitswertabhängiger)  Steuerarten auf identische Güter (z.B. Grundstücke); es entfällt dadurch die mehrfache und u.U. unterschiedliche Bewertung für verschiedene Steuern.
- 2. Bezug/Bewertung: a) E. werden festgestellt für: (1) Inländische Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (i.d.R.  land- und forstwirtschaftliches Vermögen), mit Wirkung für  Grundsteuer und  Erbschaftsteuer; (2) inländische Grundstücke und Betriebsgrundstücke mit Wirkung für Grundsteuer und  Gewerbesteuer.
- Vgl. auch  Einheitswertzuschlag. (3) E. für Betriebsvermögen werden nicht mehr festgestellt; hier wird der substanzsteuerliche Wert nur noch bei konkreten Bedarf für Zwecke der Erbschaftsteuer oder des  Stuttgarter Verfahrens ermittelt.
- b) Die wertmäßige Konkretisierung eines E. erfolgt für die unter a) (1) und (2) aufgeführten wirtschaftlichen Einheiten (bzw. Untereinheiten) nach unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben und -methoden: (1) Für land- und forstwirtschaftliche Betriebe bilden der  Wirtschaftswert und der  Wohnungswert (jeweils ermittelt nach dem Ertragswertverfahren;  Ertragswert) den E. der gesamten wirtschaftlichen Einheit (§ 48 BewG). (2) Für Grundstücke und Betriebsgrundstücke (sofern letztere nicht einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft darstellen) erfolgt die Bewertung für die Grundsteuer i.d.R. mit dem Ertragswert nach dem Ertragswertverfahren (§§ 76 I, 78 ff. BewG). Bei bestimmten  Grundstücksarten und zusätzlichen anderen Kriterien muss zur Bewertung das Sachwertverfahren ( Sachwert) herangezogen werden (§§ 76 II, III, 83 ff. BewG).
- Diese beiden Bewertungsverfahren bilden auch die Wertbasis für die gesondert geregelte Ermittlung (bzw. Aufteilung) von E. bei Grundstücken im Zustand der Bebauung,  Erbbaurechten, Wohnungseigentum/Teileigentum und Gebäuden auf fremdem Grund und Boden (§§ 91–94 BewG). Für die Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer gelten nicht die E., sondern hier werden bei Bedarf individuelle Werte festgestellt ( Bedarfswert).
- 3. Feststellung: a) Allgemeine Hauptfeststellung von E. auf den Beginn eines Kalenderjahres (§ 21 II BewG). Der zeitliche Abstand zwischen zwei Hauptfeststellungszeitpunkten sollte sechs Jahre betragen (§ 21 I BewG). Dieser Regel-Turnus wird allerdings nicht konsequent eingehalten. Die letzte Hauptfeststellung (§ 21 BewG) wurde für den unter (1) bezeichneten  Grundbesitz mit den Wertverhältnissen vom 1.1.1964 durchgeführt und erstmals zum 1.1.1974 angewandt ( Einheitswertzuschlag).
- b) Nachfeststellung von E. auf den Beginn eines Kalenderjahres, wenn (1) eine  wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) neu entsteht oder (2) eine bereits bestehende Einheit (Untereinheit) erstmals zu einer Steuer herangezogen werden soll.
- Besonderheit: Für den Grundbesitz in den alten Bundesländern gelten zu jedem Nachfeststellungszeitpunkt die Wertverhältnisse der letzten Hauptfeststellung (d.h. 1.1.1964), während für Nachfeststellungen von E. gewerblicher Betriebe die Bestands- und Wertverhältnisse vom Nachfeststellungszeitpunkt maßgebend sind (§§ 23, 27 BewG).
- c) Fortschreibungen: Für bereits festgestellte E. auf einen früheren Zeitpunkt werden zu einem  Fortschreibungszeitpunkt die E. neu festgestellt: (1) Wertfortschreibung bei Überschreiten bestimmter Schwankungsgrenzen gemessen am letzten festgestellten E. (§ 22 I BewG). (2) Artfortschreibung bei steuerlich bedeutsamen Änderungen hinsichtlich der bewertungsrechtlichen Einordnung der wirtschaftlichen Einheit (z.B. Grundstücksart, § 22 II BewG). (3) Zurechnungsfortschreibung bei Wechsel der Eigentumsverhältnisse (§ 22 II BewG). (4) Berichtigungsfortschreibung zur Beseitigung von Fehlern bei der letzten E.-Feststellung, die aus fehlerhafter Bewertung, Artenzuordnung oder Zurechnung entstanden sind; die berichtigende Fortschreibung muss einer der drei originären Fortschreibungsarten c) (1) bis (3) zugeordnet werden, so dass z.B. bei Bewertungsberichtigungen gleichfalls die Anforderungen an das Überschreiten der Wertgrenzen im Sinn einer einfachen Wertfortschreibung geknüpft sind. Es gelten dann allerdings die Bestands- und Wertverhältnisse im (fehlerbehafteten) Feststellungszeitpunkt.
- d) Aufhebung von E. auf den Beginn eines Kalenderjahres, wenn (1) die wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) wegfällt oder (2) das Objekt, für das ein E. gebildet wurde, von jeglicher Besteuerung befreit wird.
- Hauptfeststellung, Nachfeststellung, Fortschreibung und Aufhebung von E. schließen sich zu einem Feststellungszeitpunkt gegenseitig aus. Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung können dagegen zu einem Fortschreibungszeitpunkt nebeneinander bestehen.
- e) Aufteilung des E., wenn Einheitswertfeststellung bei mehreren Beteiligten erforderlich ist. Die Höhe der Anteile am E. wird im E.-Bescheid neben der Artenzuordnung der wirtschaftlichen Einheit bekannt gegeben (§ 19 III Nr. 2 BewG).
- 4. Regelungen für die neuen Bundesländer: a) Für das in den neuen Bundesländern gelegene land- und forstwirtschaftliche Vermögen wird kein Einheitswert, sondern ein Ersatzwirtschaftswert festgestellt (§ 125 BewG).
- b) Für Grundstücke gelten die Einheitswerte, die nach den Wertverhältnissen am 1.1.1935 festgestellt sind oder noch festgestellt werden. Anstelle der in den alten Bundesländern üblichen Bewertungsverfahren werden die entsprechenden Vorschriften des Bewertungsgesetzes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sowie der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz vom 2.2.1935 angewandt (§ 129 BewG).
- c) Fortschreibungen und Nachfeststellungen der Einheitswerte 1935 werden grundsätzlich erstmals auf den 1.1.1991 vorgenommen; für Mietwohngrundstücke und Einfamilienhäuser jedoch dann nicht, wenn die Einheitswerte ausschließlich für die Grundsteuer bedeutsam sind (§ 132 BewG).
- d) Der Einheitswert 1935 ist mit einem Faktor zu multiplizieren, der – je nach Grundstücksart – zwischen 100 Prozent und 600 Prozent beträgt ( Grundbesitz).
- 5. Verfassungswidrigkeit der Einheitswerte für Grundvermögen: Durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 22.6.1995 ist die Bewertung von Grundvermögen mit den E. von 1964 z.B. für die Erbschaftsteuer für verfassungswidrig erklärt worden. Im Gefolge dieser Entscheidungen wurde die Bewertung von Grundstücken allerdings nur für Erbschaftsteuer und Grunderwerbsteuer neu geregelt; für die Grundsteuer blieb es bei den alten E. Die Grundkonzeption des Bewertungsgesetzes, E. für verschiedene Steuern festzusetzen, ist dadurch (und durch die weitgehende Abschaffung der Substanzsteuern) im Grunde zerstört.
- 6. Finanzwissenschaftliche Beurteilung: Das bei seiner Einführung in den 20er Jahren als steuertechnischer Fortschritt gelobte Einheitswertverfahren wird seit Jahrzehnten scharf kritisiert. Es verstößt mehrfach gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung: In zeitlicher Hinsicht, weil E. wegen der Zahl und der Kompliziertheit des Bewertungsverfahrens verzögert festgestellt werden (Der Einheitswertzuschlag von 1974 hat hieran wenig ändern können). In sachlicher Hinsicht, weil E. i.d.R. unter dem Marktwert liegen, so dass z.B. bei der Vermögensteuer der Grundbesitz im Vergleich zu anderen Vermögensarten steuerlich begünstigt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Tatbestand moniert (Urteil vom 22.6.1995, AZ 2 BvR 552/91) und den Gesetzgeber zur Abhilfe aufgefordert. Dies hat zur Folge, dass die Vermögenssteuer seit dem 1.1.1997 nicht mehr erhoben werden darf.

Lexikon der Economics. 2013.

Игры ⚽ Поможем написать курсовую

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Einheitswert — Einheitswert …   Deutsch Wörterbuch

  • Einheitswert — Der Begriff Einheitswert bezeichnet einen Wert, der für mehrere Steuern (z. B. Vermögensteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer, Erbschaftsteuer, Grunderwerbsteuer) gleichmäßig als Besteuerungsgrundlage dient.[1] Einheitswerte werden zurzeit nach… …   Deutsch Wikipedia

  • Einheitswert — Ein|heits|wert 〈m. 1〉 steuerl. Wert, der von Zeit zu Zeit für land u. forstwirtschaftlichen Besitz, Grund , Betriebs u. Vermögensbesitz festgestellt wird * * * Ein|heits|wert, der (Steuerw.): ↑ einheitlich (b) festgesetzter steuerlicher Wert für… …   Universal-Lexikon

  • Einheitswert — Ein|heits|wert …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Einheitsbewertung — ⇡ Einheitswert …   Lexikon der Economics

  • Einheitswertverfahren — ⇡ Einheitswert …   Lexikon der Economics

  • EinhW — Einheitswert EN unit value …   Abkürzungen und Akronyme in der deutschsprachigen Presse Gebrauchtwagen

  • Grundsteuer (Deutschland) — Die Grundsteuer ist in Deutschland eine Steuer auf das Eigentum an Grundstücken und deren Bebauung (Substanzsteuer). Gesetzliche Grundlage der Grundsteuer ist das Grundsteuergesetz (GrStG). Auf den von der Finanzbehörde festgestellten… …   Deutsch Wikipedia

  • Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (Österreich) — Die Einkünfte aus Land und Forstwirtschaft gehören in Österreich zu den betrieblichen Einkunftsarten. Dazu zählen die Einkünfte aus Land und Forstwirtschaft (§ 21 EStG), Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 22 EStG) und Einkünfte aus… …   Deutsch Wikipedia

  • Grundsteuerbescheid — Die Grundsteuer ist eine Steuer auf das Eigentum an Grundstücken und deren Bebauung (Substanzsteuer). Die Grundsteuer wird von den Gemeinden und Städten erhoben; sie gehört also zu den Gemeindesteuern. In Deutschland ist die Grundsteuer in Art.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”